Das Finale steht! Die beiden besten Mannschaften der Hauptrunde werden aufeinandertreffen. Doch bevor ich meine Gedanken zu dieser Serie in der nächsten Kolumne formuliere, möchte ich einen Blick auf die ausgeschiedenen Halbfinalisten werfen. Sowohl die MLP Academics Heidelberg als auch die FIT/One Würzburg Baskets haben in dieser Saison Außergewöhnliches geleistet und es sich verdient, an dieser Stelle noch einmal gewürdigt zu werden. Nach einer starken Hauptrunde überzeugten beide Mannschaften auch in den Playoffs und gewannen ihre Viertelfinalserien ohne Heimvorteil, bevor sie dann den Favoriten München und Ulm einen großen Kampf lieferten. Besonders bemerkenswert ist, dass sie dabei auf wichtige Leistungsträger verzichten mussten.
MLP Academics Heidelberg: From zero to hero
Faktisch spielten die Heidelberger in den Playoffs mit vier Ausländern. Nach dem Abgang von Alex Barcello nach 15 Hauptrundenspielen verzichteten die Neckarstädter darauf, einen Ersatz unter Vertrag zu nehmen. Stattdessen rückte der als siebter Legionär eingeplante Andrew O’Brien in die Rotation. Der 23-Jährige zeigte eine tadellose Einstellung, konnte auf BBL-Niveau aber nur wenige Akzente setzen. Durch den Ausfall von Osun Osunniyi waren DJ Horne, Michael Weathers, Ryan Mikesell und Bakary Dibba noch stärker gefordert. Dieses Quartett lieferte ab, allen voran Weathers, der sein Spiel als Scorer und Passgeber auf ein neues Niveau hievte.
Aber auch auf den deutschen Positionen mussten Rückschläge verdaut werden. Erol Ersek verpasste zwei Spiele in den Playoffs, Mateo Seric sogar sechs! Aber der über die ganze Saison starke Marcel Keßen setzte dafür immer wieder empfindliche Nadelstiche. Und Paul Zipser (knapp neun Minuten im Schnitt in der Hauptrunde) spielte in den Playoffs satte 26 Minuten pro Partie und hielt als (Aushilfs-)Center gegen Kanten wie Devin Booker dagegen. Dass Paule für seine Heimat Heidelberg und unter anderem gegen seine alten Bayern seine spielerisch stärkste Phase seit seiner Not-OP 2021 wegen einer Hirnblutung hatte, freute uns alle in der deutschen Basketball-Community.

Das System von Headcoach Danny Jansson basiert auf viel Bewegung abseits des Balles. Es produzierte erfolgreichen und attraktiven Basketball. Nach dem Fast-Abstieg Heidelbergs in der vergangenen Spielzeit haben sich die Academics „from zero to hero“ entwickelt.
FIT/One Würzburg Baskets: Die Bestätigung
Die Würzburger hingegen bestätigten ihre gute Vorsaison und ihre tolle Entwicklung unter Sasa Filipovski. Das ist mindestens ebenso hoch einzuschätzen. Was für Heidelberg die Verletzung von Osunniyi bedeutete, war für Würzburg der Ausfall von Centerkante Owen Klassen. Damit fehlte den Unterfranken ihre wichtigste physische Präsenz unter den Brettern. Aber wie der schon in der Rückrunde stark aufspielende Hannes Steinbach in die Bresche sprang, ist für mich die Playoff-Geschichte schlechthin. Der 19-Jährige legte 14,8 Punkte, 10,4 Rebounds und 1,5 Blocks in den Serien gegen Braunschweig und Ulm auf! Dahingegen konnte Jhivvan Jackson auch aufgrund einer Rippenverletzung nicht auf dem MVP-Niveau der regulären Saison spielen. Für ihn übernahm vor allem im Halbfinale Davion Mintz, der unter anderem den Gamewinner im vierten Spiel versenkte. In dieser Partie verloren die Würzburger in Mike Lewis (Innenbandriss im Knie) einen weiteren Guard mit starken Fähigkeiten im 1-1, aber wie resilient dieses Team ist, beweisen der Sieg in dieser Begegnung und der Kampf bis in die letzten Sekunden der fünften Partie. Kapitän Zac Seljaas repräsentiert diese Einstellung exemplarisch. Nicht wenige Beobachter sehen ihn als den „wahren MVP“ dieser Mannschaft und der Liga. Allerdings scheinen die Zeichen beim 27-jährigen Forward auf Abschied zu stehen.
Kochs Nachschlag
Hier liegt ein nicht unerheblicher Unterschied zu den Heidelbergern, die ihr Erfolgsteam in großen Teilen auch für 2025/2026 bereits gebunden haben. Der deutsche Kern mit Ersek, Eigengewächs Niklas Würzner, Seric, Zipser und Keßen wird komplett zurückkehren. Osunniyi und Weathers haben verlängert, was vor allem bei Weathers ein Glücksfall ist, denn nach seinen Playoff-Leistungen wäre er zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr für die Neckarstädter finanzierbar.
So gesehen wird der Sommer für Sportdirektor Alex Vogel etwas geruhsamer als für sein Würzburger Pendant Kresimir Loncar, der aber bereits bewiesen hat, dass er Spieler findet, die perfekt zu Filipovskis Stil passen. Das gilt vor allem für die Guard-Position, auf der man in den letzten beiden Spielzeiten den wertvollsten Spieler der Liga stellte. Aber einen Steinbach, der zur University of Washington wechselt, wird er nicht mit einem deutschen Spieler ersetzen können. Dennoch dürfen wir aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre davon ausgehen, dass Würzburg wieder ein Team mit Playoff-Ambitionen zusammenstellen wird.

Stefan Koch war zwei Jahrzehnte lang Headcoach in der ersten Liga und wurde 2000 und 2005 als Trainer des Jahres ausgezeichnet. Er erreichte mit seinen Teams regelmäßig die Playoffs und trat sieben Mal im Europapokal an. Sechs Mal nahm er am TOP FOUR teil und gewann 2000 mit Frankfurt den Pokal. Zudem war der Hesse drei Mal Headcoach des All-Star-Games.
Koch arbeitet aktuell als Kommentator bei Dyn, war früher auch als Experte und Kommentator für SPORT1, Premiere, Sportdigital, DAZN und MagentaSport tätig, sowie als Scout für die NBA. Im Podcast "Talkin‘ Basketball", der auf allen gängigen Plattformen abrufbar ist, sprechen er und Oliver Dütschke regelmäßig mit Protagonisten aus der deutschen Basketballszene. Seine Kolumne zum BBL-Geschehen findet sich bei uns regelmäßig hier im News-Center rechts unter der Rubrik "Kochs Nachschlag".